Die ECM-Verordnung im SPNV – Chancen und Verpflichtungen

Mit der Durchführungsverordnung 2019/779 wird die Entity in Charge of Maintenance (kurz: ECM) – die für die Instandhaltung zuständige Stelle – für den Personenverkehr eingeführt. Das Ziel dieses normierten Instandhaltungssystems ist eine einheitliche Strukturierung der Instandhaltungsverantwortung für Schienenfahrzeuge, insbesondere bei einer Fremdvergabe von Fahrzeughalter- und/oder Instandhaltungsverantwortung. Die Umsetzung in Deutschland wird in § 7 g AEG geregelt und ab Juni 2022 verpflichtend.

Die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten des ECM-Instandhaltungssystems gliedern sich gemäß Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2016/798 in vier Funktionen auf (vgl. Abbildung): Die „Managementfunktion“ ECM 1 ist gesamthaft verantwortlich für den sicheren Zustand des Fahrzeugs im Eisenbahnsystem und beaufsichtigt und koordiniert die nachgeordneten ECM-Funktionen. Die „Instandhaltungsentwicklungsfunktion“ ECM 2 verwaltet die Instandhaltungsunterlagen und das Konfigurationsmanagement, d. h. die Seriennummern der Hauptbauteile, und stellt das Instandhaltungsregelwerk bereit, in dem die Instandhaltungsstrategie festgelegt ist. Die Umsetzung der Vorgaben des ECM 2 unter Berücksichtigung der Verwendung der Fahrzeuge im Eisenbahnbetrieb obliegt anschließend der „Fuhrpark-(Instandhaltungs-) Managementfunktion“ ECM 3. Zuletzt führt die „Instandhaltungserbringungsfunktion“ ECM 4 – klassisch durch den Begriff „Werkstatt“ beschrieben – die technische Instandhaltung des Fahrzeugs durch und erstellt die Betriebsfreigabeunterlagen.

Zwischen den Funktionen gemäß ECM sind entsprechende Schnittstellen zu definieren. Die Instandhaltungserbringungsfunktion führt die Instandhaltungsmaßnahmen in Abstimmung mit der ECM 3-Funktion, aber nach den technischen Vorgaben der ECM 2-Funktion durch. Diese Instandhaltungsvorgaben des ECM 2 ergeben sich wiederum aus gesetzlichen Regelungen (z. B. Hauptuntersuchung), Herstellervorgaben und in Abstimmung mit dem Fahrzeughalter (der durch die Wahl einer geeigneten Instandhaltungsstrategie die Langlebigkeit der Fahrzeuge über die Dauer mehrerer Verkehrsverträge sicherstellt). Die ECM 3-Funktion bildet somit die Schnittstelle zwischen der Sicherstellung der rechtzeitigen Zuführung gemäß Instandhaltungsstrategie des ECM 2, der Auslastungsplanung des ECM 4 und dem wirtschaftlichen Einsatz der Fahrzeuge durch das Eisenbahnverkehrsunternehmen. Alle vorgenannten technischen Rollen haben einen starken Einfluss auf die wirtschaftlichen Parameter des Fahrzeugbetriebs.

Insbesondere bei unterschiedlichen Fahrzeugbeschaffungs- und -bereitstellungsmodellen im SPNV ist eine Abgrenzung organisatorischer Verantwortung entlang der ECM-Funktionen erforderlich. In einem möglichen Szenario, in dem ein Aufgabenträger Fahrzeughalterverantwortung übernimmt und der Betreiber für die Instandhaltung verantwortlich ist, ergeben sich verschiedene Varianten. Einerseits kann die ECM 1- und ECM 2-Verantwortung durch Aufgabenträger ausgeübt werden, während dem Betreiber die wirtschaftliche Optimierung entlang der ECM 3- und ECM 4-Funktionen obliegt. Andererseits ist aber auch die komplette Delegierung der ECM 1-4-Verantwortung an Betreiber oder Fahrzeughersteller denkbar. Weitere Variablen sind eine mögliche Fremdvergabe der Instandhaltungsverantwortung (ECM 4) sowie die Beauftragung eines Dritten – z. B. einer Leasinggesellschaft – mit der Übernahme der ECM 1-3-Funktionen auf Fahrzeugseite.

Dies hat bei einigen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen bereits dazu geführt, explizit die Übernahme bestimmter ECM-Funktionen in Ausschreibungsunterlagen zu definieren und zu fordern. Daneben sind die Definition der ECM-Funktionen in bestehenden Verkehrsverträgen sowie die Modellierung und Prüfung von Chancen und Risiken für neue Verkehrsverträge Herausforderungen, mit denen sich SPNV-Aufgabenträger auseinandersetzen.

Als Partner für Verkehrsunternehmen, Aufgabenträger, Verkehrsverbünde und Tarifgemeinschaften sowie Genehmigungsbehörden im ÖPNV und SPNV unterstützen wir unsere Mandanten seit Jahrzehnten interdisziplinär in der Ausgestaltung von Verkehrsverträgen, der Optimierung von Fahrzeugbereitstellungs- und -instandhaltungs-prozessen sowie in den Feldern Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechts-, und IT- sowie Unternehmensberatung. Bei Fragen treten Sie gerne jederzeit mit uns in Kontakt.